Der Suhler Stadtrat entscheidet morgen über das Schicksal der Thüringen Philharmonie. Nicht einmal Optimisten unter den Orchesterfreunden haben noch Hoffnung, dass die Ratsmehrheit etwas anderes beschließen wird als das Aus der Orchesterfinanzierung. Was der Kultusminister trotz heftigsten Bemühens nicht herbeiführen konnte - das Ende der Philharmonie -, das besiegelt nun wohl einer der kommunalen Träger. Und fühlt sich auch noch im Recht.
THÜRINGEN. Zum Glück gibt es Orchester, denen es endlich wieder gut geht. Für die Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt war das erste Sinfoniekonzert der Saison ein Triumph. Ein ausverkauftes Großes Haus in Rudolstadt, das sind sie gewohnt, aber 326 Zuhörer am Abend zuvor in Saalfeld - gut ein Drittel mehr als üblich -, das war ein Signal. Die Saalfelder haben verstanden, was sie um ein Haar verloren hätten. Wenn die Symphoniker nur einen Teil des neu gewonnenen Publikums halten können, dann hat sich der Kampf um den Fortbestand des Orchesters, gegen den erklärten Willen der Landesregierung und die Saalfelder Stadtratsmehrheit, in mehr als einer Hinsicht gelohnt. Das Orchester unter Leitung von Oliver Weder wurde in beiden Städten mit hoch verdientem Applaus gefeiert, in Saalfeld hielt ein Zuhörer in der ersten Reihe ein Transparent hoch: "Ich entschuldige mich für die Kulturbanausen im Saalfelder Stadtrat."
Suhl ist nicht Saalfeld. Suhl kann nicht von zwei anderen Trägern überstimmt werden, sein Anteil an der Orchesterfinanzierung ist mit 500 000 Euro zu hoch, um von Stadt und Kreis Gotha übernommen werden zu können. Kündigt der Suhler Stadtrat die schon beschlossene, ab 2009 geltende Finanzierungsvereinbarung mit dem Trägerverein der Philharmonie Gotha-Suhl auf, dann trägt er die Schuld am Absterben eines der besten Orchester, die Thüringen hat. Im günstigsten Fall retten die übrigen Träger den größten Teil der Musikerstellen und finanzieren ein Orchester weiter, das keine Philharmonie mehr ist und schon gar nicht die Thüringen Philharmonie. Im schlimmsten Fall setzen sich auch in den Gothaer Stadtrats- und Kreistags-Sitzungen - beide sind für Anfang Oktober anberaumt - die Kaputtsparer durch: Warum für ein verkleinertes Orchester ab 2009 mehr zahlen als bisher?
In jedem Fall werden Musiker arbeitslos. Selbst wenn die Gothaer Träger ihre Mittel für das heute 66 Stellen zählende Orchester aufstocken, gehen mindestens zehn Stellen verloren; Trägervereins-Vorsitzende Bärbel Schreyer muss aber auch mit 17 oder 18 rechnen.
Und das, weil Suhl auf seine aktuelle Zahlungsunfähigkeit mit Einsparungen reagiert, die erst in der Zukunft greifen. Die halbe Million Orchesterförderung kann die Stadt erst ab 2009 sparen - und nicht die komplette Summe, denn Suhl wird Gastauftritte anderer Orchester bezahlen müssen. Zur Überwindung der akuten Finanzmisere ist die Streichung der Philharmonie-Mittel also überhaupt nicht geeignet.
Aber die Mehrheit der Kommunalpolitiker hat sich offenbar längst festgelegt, allen voran Oberbürgermeister Jens Triebel - mit einer Unbeirrbarkeit, die denen Recht zu geben scheint, die schon immer argwöhnten, Suhl wäre die Philharmonie lieber heute als morgen los. Selbst der Kulturausschuss hat dem Stadtrat empfohlen, das Orchester zu opfern, und eifert dem Kultusministerium nach, das sich auch eher dem Finanz- denn dem Kulturressort verpflichtet fühlt.
Irrwitzigerweise sind die 1,15 Millionen Euro, die Kultusminister Jens Goebel der Philharmonie nach langem Ringen vertraglich zugesichert hat, im Moment die einzige Summe, auf die das Orchester bauen kann. Sie ist zugleich groß und gering genug, um in Gotha das sicherzustellen, was Goebel will: eine Hilfstruppe für den Orchestergraben der Neuen Oper Erfurt. An der Philharmonie als eigenständigem großem B-Orchester war die Regierung nie interessiert. Ausgerechnet Suhl war es, das immer auf die Erhaltung aller 66 Stellen gepocht hat - mit der Drohung, andernfalls die Trägerschaft aufzugeben. Das klang, frei nach Kaczynski, nach "66 oder der Tod!". Den Orchestertod auf Raten leiten die Suhler jetzt womöglich selbst ein. Anders als die Landesregierung entziehen sie der Philharmonie mehr als nur Geld: Sie entziehen ihr Auftrittsmöglichkeiten und den Boden unter den Füßen. Suhl ist bald nicht mehr die Heimat des Orchesters. Und so klein, wie es in Zukunft sein wird, kann es sich nicht mehr aufteilen, um zugleich das Erfurter Philharmonische Orchester zu verstärken und auf Tournee zu gehen. Es wird Einnahmen in Größenordnung verlieren.
Aber das braucht Suhl ja nicht mehr zu interessieren. OB Triebel reduzierte das Problem kürzlich im "Freien Wort" auf die Margarine, die man essen müsse, wenn man sich die Butter nicht mehr leisten könne. Die Musiker, die 2008 ihre Stellen verlieren, werden es mit Begeisterung vernommen haben.
Noch haben die Suhler Stadträte es in der Hand, ihr Orchester zu retten. Darauf zu hoffen hieße, an Wunder zu glauben.
Eisenach, der Wartburgkreis, jetzt auch Suhl: Es gibt Kommunen, die brauchen keine Landesregierung, um ihre Theater und Orchester abzuwickeln. Die schaffen das auch allein. Ein Glück für die Symphoniker und für Thüringen, dass Saalfeld es beim Versuch belassen musste.
Die Suhler Singakademie setzt sich für die Philharmonie ein und ruft für morgen, 16.30 Uhr, zur Demonstration vor dem Suhler Rathaus auf.
24.09.2007 Von Frauke ADRIANS