Rückzug vom 500 000-Euro-Zuschuss für die Thüringen-Philharmonie ist beschlossene Sache
VON HEIKE HÜCHTEMANN
Auch die vor den Stadträten entzündete Elisabeth-Kerze konnte nicht verhindern, dass der Thüringen-Philharmonie – zumindest von Suhler Seite – das Licht ausgeblasen wurde. Ebenso nicht der Protest, mit dem etwa 200 Bürgerinnen und Bürger die Stadträte auf dem Weg zu ihrer Sitzung begleiteten.
SUHL – Die Entscheidung ist gefallen. Suhl nimmt seinen im Juli dieses Jahres gefassten Beschluss zurück und damit die Zusage, die Finanzierungsvereinbarung mit der Thüringen-Philharmonie Gotha-Suhl zu verlängern. Ab 2009 wird der Suhler 500 000 Euro-Zuschuss nicht mehr gezahlt. Für diesen Rückzug stimmten 18 Stadträte aus allen Fraktionen außer „Aktiv für Suhl“. CDU, Freie Wähler (inklusive einer Enthaltung) und SPD stimmten geschlossen für die Absage an die Philharmonie. Aus der Fraktion „Die Linke“ kam hierzu eine Stimme, drei Stadträte enthielten sich.
Dieses Votum, das namentlich zu Protokoll genommen wurde, bestätigt das Stimmungsbild der Debatte, vor der Oberbürgermeister Jens Triebel (parteilos) appellierte: „Gegen den Zuschuss zu stimmen, ist keine Entscheidung gegen die Kultur oder gegen die Philharmonie, sondern für die Stadt Suhl.“ Dennoch: Die Diskussion wogte zwischen einem klaren Nein, einem gewissen Hadern, gepaart mit Einsicht in die Notwendigkeit, und der Sicherheit, mit dem Rückzug aus der Finanzierung das Richtige zu tun.
Das Desaster ist bekannt: Suhl ist pleite. Besserung ist nicht in Sicht. Der Freistaat gewährt eine drei Millionen Euro schwere und auf Cent und Euro zurück zu zahlende Überbrückungshilfe, um Suhl über die Liquiditätsklippe hinweg zu helfen. Dies freilich nicht, ohne Bedingungen zu stellen. Die beispielsweise, keine neuen vertraglichen Verpflichtungen, die der Stadt Geld kosten, einzugehen. Die Vereinbarung über den Zuschuss für die Philharmonie wäre eine solche. Keine Chance also, anders als gegen die weitere Finanzierung des Orchesters zu entscheiden? Zumal es um mehr geht als um den Klangkörper an sich. Das hat Jürgen Heinrichs, Vorstand der Singakademie, zur Demonstration vor der Ratssitzung klipp und klar gesagt: „Das Aus der Philharmonie bedeute auch das Aus für die Chöre in Suhl – und in Gotha.“
Sicher, die umliegenden Kommunen und Kreise hätten dem Werben um eine Mit-Trägerschaft der finanziellen Last folgen können. „Doch da gab es eine glatte Abfuhr. Jetzt hat Hildburghausens Bürgermeister Steffen Harzer wissen lassen, dass er das Orchester gern in das neue Theater einlädt“, so Erhard Kretschmann Fraktionschef der Freien Wähler, der zugleich moniert, dass die Publikumszahlen zu wünschen übrig lassen. Und auch das Land müsse dafür sorgen, dass dem Orchester das Licht nicht ausgeblasen wird, „statt Suhl den schwarzen Peter zuzuschieben“.
In der Tat habe das Land Reserven, stellt Holger Auerswald, Fraktionschef „Die Linke“, fest und fordert OB Jens Triebel auf: „Halten Sie Ihr Wahlversprechen und verhandeln Sie neu, damit der Vertrag, damit die Philharmonie bestehen bleibt.“ Bis Suhl finanziell wieder einsteigen kann, solle der Freistaat einspringen. Es sei unerträglich, sich den schwarzen Peter in die Hand drücken zu lassen und ihn auch noch als Trumpf zu feiern, so Auerswald.
Manche der Stadträte hätten mit dem Ende der Finanzierung nun endlich ihr Ziel erreicht, anderen blute das Herz und sie könnten doch nicht über ihren Schatten springen, „verlieren werden schließlich alle“, so Hendrik Neukirchner (Aktiv für Suhl). Werde doch die politische Glaubwürdigkeit durch sie selbst unglaubwürdig. „Wer hat denn Schuld? Alt-Stadtväter und -mütter haben in der Vergangenheit nachweislich falsche Entscheidungen getroffen. Danke für Ihre Uneinsichtigkeit und Ihre Hinterlassenschaften.“ Seine Fraktion sei gegen das freiwillige Ausbluten der Stadt.
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Woher nehmen?
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Aber wo bitteschön solle man die in Rede stehenden 500 000 Euro anders einsparen, fragt Karin Müller (SPD), die „Aktiv für Suhl“ empfiehlt, in den Finanzausschuss zu gehen, um zu erfahren was finanziell in der Stadt wirklich los ist. Die Philharmonie will niemand sterben lassen, „aber woher sollen wir das Geld nehmen, wenn überall ein dickes Minus steht?“
Gegen Neukirchners Hieb gegen die so genannten Alt-Stadtväter verwahren sich unter anderem Wolfgang Wehner (CDU) und Rainer Miersch (Die Linke). Es sei unverfroren mit dem Wissen von heute, Entscheidungen von gestern zu verurteilen. Dietrich Weiß (CDU) sieht sich bestätigt, dass die Philharmonie in Suhl nicht mehr benötigt werde. „Sie hat keinen Rückhalt in der Stadt – das hat mit die kleine Demonstration vorm Rathaus bestätigt. Und auch viele Bürger bestätigen das.“ Wenn die Entscheidung gegen den Zuschuss nicht komme, sei das ein vorsätzliches Vergehen an Suhl. „Das Thema dient niemanden zur Profilierung. Bringen wir den Schmerz zu Ende und gehen wir danach zur Tagesordnung über.“
Allerdings – auch das machte die Debatte deutlich – ist der gestrige Strich durch die Finanzierung der Philharmonie der erste Punkt besagter Tagesordnung. Denn allein mit den 500 000 Euro, die ab 2009 nicht mehr gezahlt werden, lässt sich die Leistungs- und Handlungsfähigkeit der Stadt Suhl, die mit Millionen schweren Defiziten kämpft, nicht herstellen.