VON FRANK HOMMEL UND PETER LAUTERBACH
Es ist nur eine Szene am Rande beim Solidaritätskonzert mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg am Mittwochabend im CCS. Aber sie offenbart die Wahrheit: Das einzige flammende Plädoyer für den Fortbestand der Thüringen-Philharmonie hält Hermann Schneider. Er ist Theaterintendant in Würzburg. Die Suhler, scheint es, haben das Ende ihres Orchesters ab 2009 trotz stehenden Beifalls am Schluss trauernd akzeptiert.
SUHL – Das Schicksal ist unabänderlich. Sinnlos, ihm die Stirn zu bieten. Es hieße, die Wirklichkeit in Frage zustellen. „Völlige Ergebung in das Schicksal, oder, was dasselbe ist, in den unergründlichen Ratschluss der Vorsehung.“ So hat Peter Tschaikowski die Einleitung des ersten Satzes seiner 1888 komponierten 5. Sinfonie umschrieben. Das bittersüße Schicksalsmotiv durchzieht das Werk in Variationen bis zur Steigerung im Finale: Seinem Schicksal kann man niemand entgehen.
Die Sinfonie erklang zum Schluss des Solidaritätskonzertes des Philharmonischen Orchesters Würzburg bei ihren gefährdeten Thüringer Kollegen. Die Symbolik war gewollt und sprach Bände: Kein kämpferischer Beethoven erklang da, der über das Schicksalsmotiv in c-Moll seiner fünften Sinfonie ein jubilierendes, weil erlösendes, das Schicksal besiegendes Finale in C-Dur gestellt hatte, sondern ein Tschaikowsky in e-Moll. Wer nämlich erwartet hätte, die Suhler würden sich gegen den beabsichtigten Ausstieg ihrer Stadtväter aus der Orchesterfinanzierung lautstark auflehnen, der sah sich getäuscht.
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Gelbe Plaketten
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Zwar: Der Appell des Würzburger Intendanten Hermann Schneider stieß auf viel Zustimmung. „Verspielen Sie nicht dieses kostbare Erbe“, forderte er die rund 700 Zuhörern im Saal und insbesondere die Stadträte auf. Auch seine deutliche Kritik am Votum des Suhler Kulturausschusses, welches, so der Intendant, darauf abzielt, „das eigene Orchester abzuwickeln“, sprach vielen aus dem Herzen. Doch der Beifall der Zuhörer, von denen ein beträchtlicher Teil aus Gotha und Würzburg angereist war, dürfte nicht ausreichen, um Stadträte umzustimmen.
Ebenso wenig die gelben und roten Ansteckplaketten, die den Slogan „Hier spielt die Musik“ für den Fortbestand der Thüringen-Philharmonie am einen oder anderen Revers in die Welt hinaus schrieen. Und auch nicht die kurze Ansprache des Gothaer Intendanten Hermann Breuer, dem anzumerken war, dass ein zehnjähriger Kampf um den Fortbestand einer Kulturinstitution an den Kräften zehrt und sich irgendwann eine Hürde auftut, die zu groß erscheint. „Haben wir das verdient, wo wir jahrelang unser Bestes gegeben haben“, so Breuer. Die Frage ist berechtigt. Aber wer so fragt, der weiß, dass er einen langen, verzweifelten und ehrlichen Kampf verloren hat.
„Möge der Geist dieses Konzertes etwas in den Köpfen derjenigen bewirken, die gemeinsam über unser Schicksal zu entscheiden haben“, sagte Breuer. Doch das Schicksal kennt nicht die Moral, es kennt nur die Macht des Faktischen. Suhl ist pleite, heißt es, das ist Schicksal, und das Schicksal ist sowieso eines der Lieblingswörter aller Romantiker, die die beiden Orchester in Form von Schuberts „Unvollendeter“ (Gotha-Suhl), Wagners „Tristan und Isolde“ (Würzburg mit Vorspiel und Liebestod) sowie Tschaikowskis Fünfter Sinfonie (beide Orchester gemeinsam) an diesem Abend so trefflich und einfühlsam zu intonieren wussten.
Oder, wie Suhls Oberbürgermeister Jens Triebel es am Rand des Konzertes im Gespräch ausdrückte: „Wenn man sich die Butter nicht mehr leisten kann, dann muss man eben Margarine essen. Das ist in jedem privaten Haushalt nicht anders. Das hat mit meiner Liebe zur Musik nichts zu tun.“
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Nur noch Margarine
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Da ist es wieder: Das unabänderliche Schicksal. Ob es diejenigen, die dieses Orchester lieben, so schwermütig, zornig und anklagend macht wie die Musik in Tschaikowskis Allegro, das ist dem Schicksal egal. Da bleibt es müßig, sich zu fragen, ob sich die Stadträte doch noch eines anderen besinnen würden, wenn ihnen wirklich lautstarker Protest ihrer Bürger entgegenschlüge. Es gibt einfach keinen. Was man als Schicksal erkannt hat, das lässt sich nicht noch einmal mit einem Hungerstreik in die Knie zwingen.
Schon Tristan und Isolde mussten die Macht des Schicksals leidvoll erfahren: Erst durch einen schicksalhaften Liebestrank füreinander entflammt, dann von eben jenem für immer getrennt.