Freies Wort Suhl, 15. September 2007
„Spiel um die Existenz gibt Konzert besondere Note“


Der Zweiklang zweier Orchester auf einer Bühne verspricht ein ganz besonderes Musikerlebnis zu werden. Am Mittwoch geben die Thüringen-Philharmonie Gotha-Suhl und die Musiker des Orchesters des Mainfranken-Theaters Würzburg gemeinsam ein Konzert. Das dürfte einmalig sein. Über Hintergründe, Motive und Aussichten kamen wir mit Hermann Schneider, Intendant des Würzburger Theaters, ins Gespräch.

Schön, dass Suhl und Würzburg auch musikalisch zueinanderfinden. Ihr Programm verspricht ein hoch romantisches zu werden. So romantisch allerdings sind die Klänge nicht, die Sie mit Ihrem Orchester nach Suhl reisen lassen.
H. Schneider: Sie sind dramatisch, wenn man die Meldungen über Suhls Finanzkrise liest und dass die Thüringen-Philharmonie auf der Kippe steht. Wir haben eine ähnliche Situation vor sechs Jahren durchgemacht und die Philharmonie ist zu uns gekommen, hat sich solidarisch gezeigt. Jetzt, da das Orchester ins Fahrwasser drastischer Sparmaßnahmen gerät, sehen wir den politischen Anlass, eine Geste zu zeigen, mit der wir das zurückgeben, was wir vor sechs Jahren von den Philharmonikern an Solidarität erfahren haben.
Hat Ihr Haus den Weg aus der Krise geschafft?
H. Schneider: Wir sind nicht raus aus der Krise, wir haben uns in ihr eingerichtet und versuchen, mit weniger Geld und Leuten anspruchsvolles Theater zu machen.
Kultur auf Sparkurs also auch in Bayern?
H. Schneider: Die Stadt hat ihren Zuschuss für unser Drei-Sparten-Theater von einst etwa zehn Millionen Euro auf fünf Millionen gekürzt – also um die Hälfte. Zwar ist der Freistaat Bayern eingesprungen und hat seinerseits den Zuschuss erhöht, aber mit einer Million weniger müssen wir dennoch auskommen – und mit zehn Prozent weniger Leuten. Aktuell sind bei uns noch 243 Musiker, Schauspieler, Sänger, Balletttänzer, Techniker und Verwaltungsangestellte beschäftigt. Mittlerweile erledigen zwei Leute die Arbeit, die früher drei gemacht haben. Die Teuerungen, die jeder Bürger an seinem eigenen Geldbeutel spürt, verschonen das Theater auch nicht. Das sind regelrechte Amputationen, mit denen wir leben und unseren Anspruch erfüllen müssen.
In Thüringen steht die Philharmonie vor dem Aus. Bei Ihnen war von Schließung des Theaters die Rede...
H. Schneider: Das war eine rhetorische Verzweiflungstat. Freilich auch, um Druck zu machen. Wir sind froh, dass sich die Stadt Würzburg so deutlich zum Theater bekennt, auch wenn die Haushaltslage noch immer nicht rosig ist. Und auch die Solidarität, die wir aus der Bevölkerung, von den Sponsoren, vom Förderverein und letztendlich auch von der Thüringen-Philharmonie erfahren haben, war überwältigend. Denn hätten wir auch nur eine Sparte des Theaters schließen müssen, sie wäre für Würzburg für immer verloren gewesen.
Wie hat Ihr Orchester die Fahrt auf Sparkurs überstanden?
H. Schneider: Vergleichsweise gut. Das Orchester ist der einzige Bereich, den wir bei den Sparmaßnahmen und beim Personalabbau ausgeklammert haben. Für gute Opern und Konzerte brauchen wir auch ein gutes Orchester. Hier Abstriche zu machen, das wäre ein Verlust von Qualität und Attraktivität unseres Hauses.
Wenn Sie aus Ihren Erfahrungen aus dem Kampf ums Überleben schöpfen – welche würden Sie den Thüringer Philharmonikern ans Herz legen?
H. Schneider: Vor allem diese, offensiv nach draußen zu gehen und mit Projekten zu untersetzen, dass sie nicht nur ein Angebot für eine speziell interessierte Minderheit sind, sondern auch ein Faktor für Lebensqualität, für größere Bildungschancen Jugendlicher – also, dass sie unverzichtbar sind für die Region. Es ist gut, nicht nur politisch, sondern auch kreativ präsent zu sein, sich nicht an das Besitzstandsdenken zu klammern und Offerten zu liefern, die Entgegenkommen signalisieren.
Wie kann die Bevölkerung helfen?
H. Schneider: Indem sie mit den Füßen Zeichen setzt und die Konzertsäle füllt. Darauf hoffen wir alle in Suhl. Denn was wir auf dem Programm haben, ist ein großartiges und hochromantisches Konzert. Und wenn Musiker um ihre Existenz spielen, gibt das dem Konzert eine besondere Note.
In welcher Besetzung wird Ihr Orchester nach Suhl reisen?
H. Schneider: In der kompletten – mit allen 56 Musikern, mit unserem Generaldirektor Jin Wang und mit der Leitung unseres Hauses. Als sich die Lage für die Kollegen in Thüringen zusehends zuspitzte und Herr Höland vom Freundeskreis Würzburg-Suhl an uns herangetreten ist, haben wir das Konzert geplant. Die Zeit ist zugegebenermaßen knapp, da wir erst seit 6. September wieder proben, aber für die Musiker ist dieses Konzert Ehrensache.
Das Würzburger Orchester wird mit der Philharmonie Tschaikowskis 5. Sinfonie gemeinsam spielen. Reicht die Zeit, um zusammen proben zu können?
H. Schneider: Ja. Wir proben Dienstag Abend und freuen uns darauf, die Thüringer Kollegen kennenzulernen.
Ist es denkbar, dass diesem Auftritt weitere folgen?
H. Schneider: Wir haben schon etliche Jahre darüber gesprochen, dass wir doch mal ein Konzert zusammen bestreiten müssten, haben es aber nie getan. Die Not bringt uns nun zusammen. Ich denke, dass wir uns künftig nicht nur in Krisenzeiten sehen werden.
INTERVIEW: HEIKE HÜCHTEMANN

Das gemeinsame Konzert findet am 19. September, 20 Uhr, im CCS statt.

 

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