Freies Wort Suhl, 8. September 2007
„Jetzt muss wirklich alles auf den Prüfstand“
Stadträte wollen Konsolidierung, aber welcher Klotz wird vom Bein geschlagen?


VON HEIKE HÜCHTEMANN UND RUTH SCHAFFT

Auf den Hilferuf aus Suhl nach 3 Millionen Euro Überbrückungshilfe hat das Innenministerium postwendend reagiert. In der nächsten Woche werden die Suhler zu einem Gespräch erwartet.

SUHL – „Für uns ist zunächst wichtig, die Überbrückungshilfe zu erhalten, um wieder liquide zu sein“, erklärt Finanzdezernent Erik Reigl das Nahziel aus Suhler Sicht. Er macht aber auch deutlich, dass er in der gegenwärtigen dramatischen Finanzsituation vor allem eine Chance, ja die Chance, sieht, ein wirklich nachhaltiges Haushaltskonsolidierungskonzept auf den Weg zu bringen. „Jetzt müssen wirklich alle Positionen auf den Prüfstand.“
Mit dem sprichwörtlichen Rotstift ist es in Suhl nicht mehr getan. Die Stadt steht vor der Pleite. Und das ist die Stunde der Wahrheit, die schon seit Jahren geschlagen hat. „Dennoch hat die Stadt einen Wust finanzieller Verpflichtungen vor sich hergeschoben, die aus der Zeit herrühren, als Suhl noch Bezirksstadt mit 55 000 Einwohnern und entsprechenden Einrichtungen war.“ Spätestens jetzt wird fällig, was zwar immer wieder eingefordert, aber nie umgesetzt wurde: „Wir müssen jetzt mit der Axt ran“, so Reigl. Will heißen: Suhl muss sich von Dingen trennen, die nicht mehr solide finanzierbar sind.
Damit wackelt auch der Zuschuss für die Thüringen-Philharmonie in Höhe von 500 000 Euro. Der ist nicht gesichert. Darauf hat der Finanzdezernent die Stadträte eindringlich hingewiesen. Doch sie haben anders entschieden – für den Erhalt der Philharmonie.
Nun wird man über viele andere Dinge laut nachdenken müssen. Auch darüber, wie sich manch finanzieller Klotz vom städtischen Bein schlagen lässt, um im Bild zu bleiben, das Erik Reigl bemüht. Stichwort: Neue Betreiberformen. Für das Schießsportzentrum beispielsweise oder auch im Sinne eines städtischen Kulturbetriebes, der CCS, Kulturamt und andere Einrichtungen zusammenfasst, verwaltungstechnische Effizienzen erschließt und für das traurige Dasein des Hauses Philharmonie Abhilfe schafft. Teuer zustehen kommt auch das CCS. Die Liste ließe sich fortsetzen. „Die Stunde ist gekommen, wo Stadt und Stadtrat verstehen müssen, dass es so nicht mehr weitergeht und dass wir uns von Dingen verabschieden müssen, die nicht mehr finanzierbar sind“, sieht es Reigl nüchtern. Der politische Wille in Suhl war jedoch oft ein anderer.
Reife Einsicht?
Bei den meisten Stadträten ist die Einsicht für drastische Sparmaßnahmen reif und sie sagen dies nun auch öffentlich ihren Wählern. „Wir haben auf die brenzliche Situation schon seit Jahren hingewiesen und eine Überprüfung aller so genannter freiwilliger Aufgaben gefordert“, erklärt Hans-Jürgen Wirthwein, CDU-Fraktionschef. Die Thüringen-Philharmonie müsse als erstes auf den Prüfstand. Nicht, weil es hier um 500 000 Euro, sondern zunächst um Termine und abzuschließende Verträge gehe. „Wir reden jahrelang davon, dass die Stadt immer kleiner wird, aber die Leistungen gleich groß bleiben“, so Wirthwein. Viele Angebote auf kulturellem und sozialem Gebiet laufen parallel – für seine Fraktion Ansatzpunkte für künftige Konzentrationsprozesse. „Wir müssen uns fragen, wo wir Leistungen in der Stadt, aber auch mit dem Umland bündeln können, um effizienter zu arbeiten, ohne die Frage der Kreisfreiheit auf die Tagesordnung heben zu wollen.“
Kassensturz angesagt
Anders sieht es Holger Auerswald, Fraktionschef „Die Linke“. „Die Frage der Kreisfreiheit Suhl steht. Aber zu große Erwartung an daraus resultierenden schnellen Einsparungen sind nicht angebracht. Und außerdem: Wer reißt sich um eine solch verschuldete Kommune?“ Er plädiert für Geduld, Ruhe und diplomatisches Geschick. „Wer denkt, dass wir aus überhasteten Sparmaßnahmen sofort wirksame Effekte erzielen, ist schief gewickelt.“ Gebraucht werde ein Konsolidierungsprogramm, das den Haushalt langfristig und nachhaltig in Ordnung bringe. „Und das geht nur, wenn wir alle gemeinsam eine Lösung suchen.“ Die Empfehlung, den Zuschuss für die Philharmonie nicht zu gewähren, sei jedenfalls das falsche Signal. „Wir haben einen Beschluss und der muss umgesetzt werden“, macht Holger Auerswald deutlich.
Er sei überrascht gewesen, als am Donnerstag in der Sitzung des Hauptausschusses die Finanzsituation der Stadt so dramatisch geschildert wurde, so SPD-Fraktionschef Falk Haase. Er hofft nun auf eine „sachliche, partei- und fraktionsübergreifende Diskussion“ im Stadtrat für ein langfristiges Konsolidierungsprogramm. Jetzt müsse Kassensturz gemacht und den Bürgern ehrlich gesagt werden, was noch leistbar ist. Ein wenig befürchte er in diesem Prozess aber auch Populismus, weil die eine Fraktion dieses, die andere jenes retten will...
Nicht so überzeugt von der dramatischen Finanzsituation scheint Peter Hornschuch, Fraktionschef „Aktiv für Suhl“ zu sein. Die drohende Zahlungsunfähigkeit der Stadt dürfe nicht zu „schnellen Entscheidungen führen, die sich später rächen“, sagt er. Für ihn sei unverständlich, warum gerade jetzt das Orchester zu Grabe getragen werden soll. Der finanzielle Engpass sei nur vorübergehend. Das Defizit, zu dem unvorhersehbare Ausgaben geführt hätten, könne auch auf andere Weise ausgeglichen werden. „Aktiv für Suhl“ schlägt unter anderem vor, kurzfristig kommunale Unternehmen in die Pflicht zu nehmen und die Abtretung offener Forderungen zeitnah einzuleiten, die Kreisfreiheit zu diskutieren und keinen Bogen um das CCS zu machen.
Eine strenge Durchforstung aller Maßnahmen und Leistungen fordert Manfred Hardt, Vizefraktionschef der Freien Wähler. Seine Fraktion habe bereits Vorschläge gemacht, wie aktuell 420 000 Euro und ab 2009 noch einmal 820 000 Euro gespart werden könnten. Hardt spricht davon, geplante Investitionen zu verschieben – das Heinrichser Rathaus, das Gymnasium. Seit Jahren habe es nur halbherzige Entscheidungen gegeben, das räche sich jetzt, so der Vize-Fraktionschef.


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