FINANZKRISE
VON HEIKE HÜCHTEMANN
Die Dramatik um die Finanzlage Suhls erreicht einen neuen Höhepunkt. Der Stadt steht das Wasser bis zur Oberkante der Unterlippe. Sie ist zahlungsunfähig.
SUHL – Das Eingemachte ist verbraucht, und der Dispo (Dispositionskredit) ausgereizt. So etwa ließe sich übersetzen, was die Verwaltung damit beschreibt, dass „die laut Haushaltssatzung festgelegte Kassenkreditlinie in Höhe von 13 Millionen Euro vollständig in Anspruch genommen wurde“. Und eine Besserung der Finanzlage ist nicht wirklich in Sicht – wie seit all den Jahren nicht, in denen sich eine ähnliche Dramatik abzeichnete, aber die Stadt einer solch handfesten Finanzkrise immer noch um Haaresbreite ausweichen konnte.
Die Ursachen für die aktuelle Misere sind vielschichtig. Nicht genug damit, dass die Stadt in diesem Jahr massive Einbrüche bei den Gewerbesteuereinnahmen hinnehmen muss, sie hat nach bisheriger Lage auch noch Gewerbesteuern in Höhe von etwa 7,4 Millionen Euro zurückzuerstatten. Und das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Im Finanzdezernat liegen bereits Informationen vor, dass weitere 500 000 Euro an Unternehmen zurückgezahlt werden müssen. Dabei hätte die Stadt laut der Messbescheide vom Finanzamt mit etwa 12,5 Millionen Euro Gewerbesteuer-Einnahmen rechnen dürfen. Was die Stadt ausreichen muss, seien meist Teile von Steuer-Vorauszahlungen von Unternehmen, die sich bei der Abrechnung der Wirtschaftsjahre bis 2004 und teilweise noch weiter zurück als zu hoch erwiesen haben, erklärte Finanzdezernent Erik Reigl im Freies Wort-Gespräch. So fließen allein sechs Millionen Euro an sechs große Suhler Unternehmen zurück.
Zusätzlich verschärft wird die Lage durch offene Forderungen, die seitens der Stadt bestehen, wie beispielsweise für noch nicht bezahlte Rechnungen für Grundstücks- oder Gebäudeverkäufe, ausstehende Steuerzahlungen und so weiter. Die belaufen sich auf insgesamt über 5,8 Millionen Euro und reißen das Loch in der Stadtkasse zusätzlich auf, das die Stadt zur Zahlungsunfähigkeit treibt. Das zwingt Oberbürgermeister Jens Triebel (parteilos) nun, 3 Millionen Euro Überbrückungshilfe beim Thüringer Innenministerium zu beantragen. Wird sie bewilligt, steht für die drei Haushaltsjahre ab 2009 von vornherein eine zusätzliche Rückzahlungs-Belastung von je einer Million Euro zu Buche.
Parallel dazu hat der Oberbürgermeister angeordnet, dass ab sofort nur noch Geld für nachweisbar zwingend notwendige Maßnahmen ausgegeben werden darf. „Auch dürfen keine Investitionsmaßnahmen mehr begonnen werden, für die noch keine Verträge abgeschlossen sind. Neue Verpflichtungen finanzieller Art stehen in dieser Situation nicht zur Diskussion“, so Jens Triebel. Damit ist quasi der Zustand der vorläufigen Haushaltsführung mit äußerst eingeschränkter Handlungsfähigkeit hergestellt. Den hatten Stadtrat und Verwaltung eigentlich mit dem harten Kampf um einen ausgeglichenen Haushalt, für den ein Defizit von etwa zehn Millionen Euro auszumerzen war, aus dem Weg gehen wollen.
Um aus dieser Krise herauszukommen, sollen die so genannten freiwilligen Aufgaben, die vor allem im sozialen, sportlichen und kulturellen Bereich angesiedelt sind, erneut auf den Prüfstand. So auch der Philharmonie-Zuschuss. Triebel kündigt drastische Maßnahmen an, „um die Liquidität der Stadt zu sichern“. Derweil werden sich die Stadträte in ihren Fraktionen über das weitere Vorgehen beraten. Erste Reaktionen reichen von „kühlen Kopf bewahren“ bis „jetzt wird’s an etlichen Ecken tüchtig krachen“